Von den ‘guten Europäern’ sagt Nietzsche, dass sie nicht nur ‘übernational’, sondern am Ende sogar ‘übereuropäisch’ denken müssen: Diese ‚freien, sehr freien Geister‘ müssen also, wenn auch nur gelegentlich und zeitweilig, Europa selbst hinter sich lassen und über den Horizont der westlichen Kultur hinausblicken. Der Kongress – zum ersten Mal tagen die Nietzsche-Gesellschaft und die Friedrich Nietzsche Society zusammen – setzt sich mit diesem Gedanken auseinander und mit den von Nietzsche erhofften Synthesen und Grenzüberschreitungen. Den Schwerpunkt bilden Nietzsches Genealogie der europäischen Kultur und seine Überlegungen zur ‚Konstitution‘ Europas im weitesten Sinn: zu Völkern und Nationen, Werten und Künsten, Erkenntnis und Religion. Untersucht werden Nietzsches Sorgen um das Schicksal Europas, die von ihm diagnostizierten Krisen (Nihilismus, Dekadenz) sowie die normativen Kategorien, die seinen Diagnosen zugrunde liegen. Im Mittelpunkt der Tagung stehen Grenzüberschreitungen – das von Nietzsche erhoffte Fallen innereuropäischer Grenzen, die Überwindung nationaler und anderer Beschränktheiten, die Aufgabe, mit ‚übereuropäischem‘ Blick auf Europa zu schauen – und Synthesen: der ungeheure Synkretismus der griechischen Antike und die künftige europäische Kultur. Wir werden uns nicht zuletzt der Frage stellen, inwiefern Nietzsches Philosophie auch für die aktuellen europäischen Herausforderungen diagnostisches und kritisches Potential hat.
Hauptvorträge: Johann Figl (Wien/A.), Michael Neil Forster (Bonn/ Chicago U.S.A.), David Farrell Krell (Chicago/U.S.A.), Andrea Orsucci (Cagliari/I), Ekaterina Poliakova (Greifswald), Gary Shapiro (Richemont/U.S.A.)
Lectio Nietzscheana Naumburgensis: Annemarie Pieper (Basel/CH)
Sektionen (abh. v. d. Resonanz)
- Europa als philosophisches Problem. Nietzsches gute Europäer.
- Einheit und Vielfalt: Völker und Nationen, Norden und Süden.
- Europas politische Krankheiten: Ressentiment, Nationalismus, Antisemitismus, ‚Realpolitik‘.
- Synthesen und Überwindungen: Wertkonflikte und Pluralität der Werte.
- Kulturdynamik, Kulturwandlung: zwischen Verfall und Steigerung.
- Krisen: Relativismen und Nihilismen, europäisch und asiatisch.
- Jenseits von Europa? Nietzsches Kritik westlicher Kultur.
- Nietzsches kulturelle Hermeneutik. Fremd und vertraut.
Bewerbungen zu Sektionsvorträgen mit Abstract (max. 500 Wörter) und CV bis 31.05. 2016. Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch
Leitung: Marco Brusotti (Lecce / Berlin), Herman Siemens (Leiden)
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