Der Traum der Weimarer Klassik von der Möglichkeit eines gelungenen Lebens, von der Verwirklichung einer kulturellen Gesellschaft steht in Weimar sichtbar neben dem Traum einer demokratischen Moderne von einer Republik und Gleichheit durch Gestaltung des Alltags, aber auch neben Buchenwald, das wie Ausschwitz für das fatale Scheitern all dieser Ideale steht.
Friedrich Nietzsche kommt geistig umnachtet im August 1897 nach Weimar. Das von seiner Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche, unterstützt von Harry Graf Kessler und Henry van de Velde, gegründete Nietzsche-Archiv steht noch einmal für einen Aufbruch, für ein gewolltes Neues Weimar, es steht aber nach Ende des 1. Weltkrieges ebenso für die Politisierung des Werkes Friedrich Nietzsches und schließlich für dessen Instrumentalisierung im Sinne nationalsozialistischer Politik.
Im Werk Friedrich Nietzsches finden wir unter anderem eine radikale Absage an Demokratie, Humanismus und Würde der Arbeit. Gleichzeitig kann man seine Philosophie als seismografische bezeichnen, die sensibel wie keine andere Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft offenlegt. Nachdem man in den letzten Jahrzehnten geradezu von einem geglätteten, „weichgespülten“ Nietzsche sprechen kann, ist es an der Zeit, erneut nach den Brüchen im Werk selbst zu fragen:
Das 1. Forum Junger Nietzscheforschung soll den Fokus richten auf den „dunklen Nietzsche“ und dessen auch politisch gemeinten Begriff von Macht, der dennoch auch ein metaphysischer ist.
Das Verhältnis von Nietzsches Kritik der bürgerlichen Gesellschaft, die positiv aufgegriffen wurde von Horkheimer und Adorno, Foucault und Derrida, und Nietzsches Begriff von „großer Politik“, von Bejahung der Sklaverei, aus der dann in Italien, Spanien und Deutschland faktische Politik wurde, soll Leitfaden der gemeinsamen Woche auf dem Wielandgut in Oßmannstedt nahe Weimar sein. Vielleicht ist dieser Leitfaden formulierbar in der Frage, inwieweit Nietzsches Projekt des Willen zur Macht ein philosophisches oder ein politisches ist. Je nach Beantwortung dieser Frage wird die Geschichte des Nietzsche-Archivs Weimar in unterschiedlichem Licht erscheinen.
Wir bitten um eine formlose Bewerbung, die Ihr Interesse an diesem Thema in einem Umfang von maximal drei Seiten zum Ausdruck bringt sowie um einen kurzen Lebenslauf. Die Ausschreibung richtet sich an Graduierte aller Fakultäten. Das Forum soll den Austausch junger Nietzscheforscherinnen und –forscher befördern.
Für die 12 bis 15 ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden Reise- und Übernachtungskosten übernommen und für Verpflegung gesorgt.
Das Forum wird sachkundig begleitet.
Berücksichtigt werden ausschließlich Bewerbungen via E-Mail an kolleg-nietzsche@klassik-stiftung.de bis zum 31. September 2013.
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