2013 erschien im Limbus Verlag der Roman “Bis dass der Tod uns meidet”. Aber ist die Gattungszuordnung ‘Roman’ überhaupt präzise genug? Der Text erzählt vordergründig eine Liebesgeschichte, tatsächlich erarbeitet sich diese Untersuchung ein weites Feld. “In Müllers Orientierungsschwierigkeiten zwischen Kant und Cunt, Zeichen und Körpern kehrt Alexander Peer den klassischen Bildungsroman ironisch um. Es gibt keine Formung eines künftigen Meisters im einvernehmlichen Miteinander von Denken, Anschauung und Praxis. Das Leben will gelebt werden und Zeit heilt alle Reflexionen. Franz Müller wird zum ‘Sammelnamen’ für unsere zahllosen Selbstentwürfe, deren Flickwerk den Glauben an ein richtiges Leben erledigt”, schreibt Gödart Palm in seiner Buchbesprechung für ‘Glanz und Elend’.
Der Erzähler Franz schlittert in eine fiktional-reale Dreiecksbeziehung, als die Beziehung zu Rebecca zu erodieren beginnt: Immer mehr steigert sich Franz in einen Monolog mit dem Diagnostiker und Überwinder des Nihilismus hinein, driftet zwischen Selbstauflösung und Bestimmung. Nietzsche als Brennpunkt von Rastlosigkeit. „Je verlotterter das Leben, umso ergiebiger das Denken“, könnte das Motto von Franz sein, einem sich an seinem Übervater wundreibenden modernen Menschen, der seine Identität findet, indem er sich verliert.
Es wäre allerdings zu kurz gegriffenen hier eine symbiotische Beziehung vom Erzähler mit Nietzsche abzuleiten.
Tatsächlich präsentiert der Text, was das Abarbeiten an Philosophie bedeutet, wenn gleichzeitig das Begehren sich jeglicher Kontrolle entzieht: das Paarungsverhalten übermäßig Gebildeter erweist sich als ausgesprochen kompliziert. Somit entsteht ein Anschauungsraum der beide Aspekte von Wahrnehmung aufeinander bezieht: Reflexion und Emotion. Zumeist verhält sich der Erzähler in Momenten starker emotionaler Ambivalenz sehr analytisch und versucht gewissermaßen mit dem Hilfswerkzeug Verstand den überbordenden Gefühlen Einhalt zu gebieten – dazu kann er sich eines weit gefassten Bildungskanons versichern, allein der Gebrauch dieses Wissens scheint ihm nicht so recht zu helfen. Gleichzeitig erweist sich Franz Müller als ausgesprochen emotional, wenn er sich mit erkenntnistheoretischen Fragen befasst.
Vergleichbar der formalen Vielfalt in klassisch nietzscheanischer Textgenese, in welcher sich Aphorismus, Essay, Abhandlung, Lyrik oder Satire zu einem Konvolut werden und damit auch der konventionellen Gattungszuordnung und -abgrenzung misstraut wird, verfolgt “Bis dass der Tod uns meidet” eine ähnliche Verfahrens- und Entfaltungsweise.
Im Juni 2017 erscheint im Verlag Königshausen & Neumann ein Band mit dem Titel “Der Liebesroman im 21. Jahrhundert” und beinhaltet die Beiträge aller Referenten, die an der gleichnamigen Tagung am 15. und 16. September 2016 auf der Universität in Bydgoszcz stattgefunden hat. Darin wird u.a. der Roman “Bis dass der Tod uns meidet” vom polnischen Germanisten Tomasz Waszak analysiert. Der überaus erhellende Beitrag ist als Pre-Print auf der Seite des Autors downloadbar. Hier ist auch mehr zum Roman zu erfahren.
Der Liebesroman im 21. Jahrhundert.
Film – Medium – Diskurs, Bd. 80. ca. 360 Seiten,
ca. € 48,00
ISBN: 978-3-8260-6153-0
Autor: Pokrywka, Rafal
Band Nr: 80
Pre-Print: Tomasz Waszak
Über die Schwierigkeiten beim Schreiben über Liebe am Beispiel von Bis dass der Tod uns meidet (2013) von Alexander Peer
goo.gl/BChdxx
Bis dass der Tod uns meidet. Roman
Limbus 2013. Reihe Zeitgenossen.
Erschienen Mitte März 2013
Gebunden mit Schutzumschlag. 278 Seiten
Preis: 21,90 € (A/D)
ISBN 978-3-902534-75-0
Autor: Peer, Alexander
http://peerfact.at/werke/bis-dass-der-tod-uns-meidet/