Internationale Nietzscheforschungsgruppe Stuttgart
Friedrich Nietzsches Philosophieren ist in den 125 Jahren nach seinem Verstummen einer Vielzahl von Deutungen unterzogen worden. Die meisten seiner Interpreten haben einen inhaltsorientierten Zugang gewählt. Bis heute ist es daher Usus, seine Texte unabhängig von ihrem Kontext und ihrer Form zu interpretieren, die Differenz zwischen Nachlass-notaten und publizierten Schriften zu missachten, sogenannte ‚Aphorismen‘ zu systematisieren und auf bestimmte Lehren hin auszulegen.
Die Stuttgarter Nietzscheforschungsgruppe eint hingegen die Überzeugung, dass die jeweilige Darstellungsform der Texte unhintergehbar für die Interpretation ist und als eine eigene Form der Reflexion begriffen werden muss. Ihre Mitglieder sind daher bestrebt, die philosophische Valenz auch der Darstellungsformen Nietzsches durch ihre Studien herauszuarbeiten und zur Diskussion zu stellen. Anti-mythische, für die artistischen Gestaltungsweisen sensible und sensibilisierende Lektüren sollen hierbei erprobt und die Wechselwirkungen zwischen Form und philosophischen Gehalt in den Blick genommen werden.
Die Liste dieser Darstellungsformen, die einer eigenen und vergleichenden Untersuchung harren, ist lang. Zu ihnen gehören auf der Makroebene Gattungen und Textsorten wie:
- Abhandlung
- Aphorismus
- Sentenz
- Epigramm
- Spruch
- Maximen und Reflexionen
- Brief
- Essay
- Betrachtung
- Prosa-Aufsatz
- Prosa-Gedicht
- Gedicht und Gedicht-Zyklen
- Dithyrambus
- Dialog und Gespräch
- Parabel und Gleichnis
- Autobiographie
- (Selbst-)Parodie und Satire
- Kriegserklärung
- Streitschrift
- Vorlesung
- Rede
- Vorrede und Epilog
- Vor-, Zwischen- und Nachspiel
- Epische Großform wie Also Sprach Zarathustra
- Index
Auf der Mikroebene zählen dazu Darstellungsmittel wie:
- Intertextualität, Zitatverfahren, Montage und Collage
- Rhetorische Figuren und Tropen
- (narratologische) Modi der Figurengestaltung (Sprecherrollen)
- Zeichensetzung
- Typographie
und vieles mehr.
Die SNFG wird sich daher in einer Serie von Workshops jeweils einer Darstellungsform widmen und versuchen, deren Erscheinungsweisen und Funktionen in Nietzsches Gesamtwerk herauszuarbeiten.
Die INFG ist am Stuttgarter Research Centre for Text Studies angesiedelt und offeriert hier einen Ankerplatz für nationale und internationale Nietzscheforscherinnen und Forscher, die in ihren Arbeiten zu Nietzsche ebenfalls die traditionelle Grenzziehung zwischen Philosophie und Literatur außer Kraft setzen.
Die Gruppe setzt sich derzeit zusammen aus:
Giulia Baldelli
Marcus Born
Dai Siyu
Isabella Ferron
He Lianhua
Annamaria Lossi
Gabriella Pelloni
Axel Pichler
Thomas Rahn
Bastian Strinz
Claus Zittel
Die INFG arbeitet mit anderen Nietzscheforschergruppen zusammen, darunter die Groupe International de Recherches sur Nietzsche GIRN (http://girn.hypotheses.org/).
Als Kooperationspartner sind ihr zudem assoziiert:
Christian Benne (Universität Kopenhagen)
Luca Crescenzi (Università degli Studi di Trento)
Jakob Dellinger (Universität Wien)
Martin Endres (Universität Leipzig)
Wolfram Groddeck (Universität Zürich)
Enrico Müller (Universität Bonn)
Chiara Piazzesi (L’Université du Québec à Montréal)
Peter Villwock (Universität Zürich, Sils)