Am 25.01.2012 um 19.30 spricht Prof. Dr. Steffen Dietzsch (Berlin)zum Thema: „Ist denn das Kreuz ein Argument?“ – Friedrich Nietzsches Antwort auf Golgatha.
Nietzsches Überlegungen seiner letzten Jahre galten dem Projekt einer Kritischen Metaphysik. Dabei konzentrierte er sich als Kritiker bloßer reiner Vernunft – wie sein großer Vorgänger aus Königsberg – auf die Frage: Was ist der Mensch? Die versucht er neu zu beantworten mit der Hinwendung auf ihren christologischen Ursprung: der dramatischen Erzählung von der Menschwerdung des Neuen Menschen. Nietzsche beabsichtigt dabei dessen Neubegründung aus einer neuen Genealogie der Ereignisse von Golgatha. – Denn: versammelt sind hier in den Passionsverläufen auch all die ‚Zellformen’ modernen philosophischen Denkens, das im – über die Zeiten lebhaften – historischen existentiellen Dialog mit dem Glauben entstanden ist. Das Kreuz also ist
kein „isoliertes Ereignis, … sondern das Ereignis … durch das andere Ereignisse ihren Sinn erhalten.“ (Paul Tillich) – Zumal ist das Problem des Menschen, der Person, mit jener Passionsgeschichte verbunden. Man begreift den Menschen nur, wenn man diese Leidensgeschichte begreift, und ihn selber zuallererst aus dem Leiden heraus zu verstehen in der
Lage ist. Die Passionszeit ist jene konstitutive Zeit, in der unsere mitmenschliche (soziale), moralische und epistemisch-konzeptuelle Welt ihre moderne Formbestimmtheit erhält, – durch jene Symbolisierungsakt des Logos, durch jene Selbstverwandlung des verbum dei.